Reden
29.01.2015, 12:00 Uhr | Abgeordnetenhaus von Berlin
 
Rede zum Thema Transparente Kriterien für die Teilnahme an der Pilotphase der Berliner Jugendberufsagentur
Joachim Krüger (CDU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Wie schon bei der Einbringungsdebatte dieses Antrags kann man doch auch hier wieder am Eingang feststellen: Wir sind uns alle einig, dass über 11 Prozent arbeitslose Jugendliche in unserer Stadt politisch nicht hinnehmbar sind.
Abgeordnetenhaus von Berlin -

Das eint uns, und das ist nicht nur eine Frage, ob im Bereich der Wirtschaft nun Fachkräftemangel herrscht, sondern das ist ein Auftrag gegenüber den jungen Menschen, für die wir hier alle erheblich Verantwortung zu tragen haben. Wir sind sehr zufrieden, dass der Senat aufgrund der zeitlichen Entwicklung und der inhaltlichen Beschäftigung diese Frage auch zu einem wesentlichen Inhalt seiner Arbeit gemacht hat. Die Regionaldirektion der Agentur für Arbeit, Unternehmerverbände, Jugendämter und Schulen haben sich offen gezeigt und bringen sich ein in diesen Prozess. Hier die Hilfe aus einer Hand niederschwellig zu organisieren, ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Da waren wir uns alle einig, die bisher gesprochen haben, und das wird vielleicht auch für diejenigen gelten, die anschließend sprechen.

Der Antrag beinhaltet auch, noch mal nach Hamburg zu schauen und zu gucken, wie dort das Ganze organisiert ist. Ich muss sagen, dass das recht überzeugend ist. Aber berlinspezifische Lösungen – und das wird ja auch schon aus dem Handeln des Senats deutlich – sind notwendig. Hier kann man nicht alles hundertprozentig von woanders übernehmen, sondern man muss gucken, wie Regionalisierung bei uns zu machen ist und wie wir im Einzelnen z. B. gerade die Struktur der Bezirke und ihre Leistungsfähigkeit mit einbringen können.

Dass eine Pilotphase – und da sage ich zumindest einen Satz zu dem Antrag Drucksache 17/2071 – mit großer Transparenz und Offenheit angegangen werden muss, das ist für mich selbstverständlich. Wir werden das auch im Ausschuss noch mal sehr nachhaltig diskutieren. Ich glaube aber nicht, dass es hier Differenzen zur Senatspolitik geben wird.

Der Antrag, den wir heute hoffentlich einheitlich beschließen, spricht auch von interkultureller Öffnung im Bereich der Jugend. Ich möchte an dieser Stelle mit Blick auf den Antrag Drucksache 17/2019 noch mal den Aspekt von Diversity, von Vielfalt, besonders betonen. Versetzen Sie sich bitte einmal in die Lage eines Klassenlehrers einer 9. oder 10. Jahrgangsstufe, in dessen Klasse sich mehrere Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen befinden, die sich im Laufe der Zeit mit Förderung und Rücksichtnahme und dem guten Willen aller in die Gemeinschaft eingefügt und ihren festen Platz in der Klasse gefunden haben! Der Lehrer ist dabei, die ihm anvertrauten Jugendlichen auf die bevorstehende Berufswahl einzustimmen und möchte dazu mit ihnen die für seinen Stadtbezirk zuständige Jugendberufsagentur besuchen. Dazu zieht er letzte Erkundigungen ein und erfährt bei dieser Gelegenheit, dass die Berliner Berufsagenturen für Jugendliche mit Behinderung nicht zuständig sind und dass daran § 104 SGB IX schuld sein soll.

Versetzen Sie sich in seine Lage, wenn er seinen Kindern mit Behinderung klarmachen muss, dass sie an diesem Berufsagenturbesuch und an der zukünftigen Arbeit mit dieser Berufsagentur nicht teilnehmen können und stattdessen von einem Kollegen in der Schule betreut werden! Stellen Sie sich vor, wie die jungen Behinderten am nächsten Schultag, wenn die Klassenkameraden über ihren Einstieg und über ihre interessanten Erfahrungen bei der Berufsagentur berichten, zur Rolle stummer Zuhörer verurteilt sind! Da ist es eigentlich gar nicht mehr nötig, dass man die UN-Behindertenrechtskonvention zitiert, die klar und deutlich sagt, dass Menschen mit Behinderung ohne Aussonderung und mit besonderer Unterstützung der Zugang zum Beruf ermöglicht werden soll.

Um zwei Beispiele zu nennen: Hamburg und Mainz machen es uns vor, wenn sie formulieren – ich zitiere Mainz –:

Ziel der Berufsagentur in Mainz ist es, die berufliche Integration aller Jugendlichen und jungen Er-wachsenen bis zum Alter von 25 Jahren zu fördern.

Und in Hamburg befindet sich an einem zentralen Ort der Berufsagentur die – Zitat – „Inklusive Ausbildungs- und Berufsvorbereitung für Jugendliche mit und ohne Behin-derungen". Es geht darum, unter dem Dach der Jugendberufsagentur die auseinanderdriftende Vielfalt der Beratungs- und Informationsangebote für junge Menschen zu konzentrieren und dabei eine für jeden Jugendlichen individuell zugeschnittene Beratung und Begleitung von der Schule in die vielfältigen Ausbildungs- und Arbeitsweltbereiche anzubieten. Bei diesem Prozess kommt es besonders darauf an – und darauf lege ich Wert –, dass sich die Jugendlichen in ihrer Vielfalt angenommen und akzeptiert fühlen und dass auch den Arbeitgebern wieder Mut gemacht wird, Ausbildungsplätze anzubieten, die sich auch auf die Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderung einlassen.

In diesem Zusammenhang hat Frau Senatorin Kolat am 28. April völlig zu Recht erklärt:

Kein Jugendlicher darf uns verloren gehen. Jeder Jugendliche soll ein Angebot für den Weg in den Beruf erhalten – das ist unser Ziel.

Dem kann ich mich nur voll anschließen. Denn an dieser Stelle wird sich beweisen, ob wir Inklusion nur als Schlagwort auf der Zunge tragen oder ob wir bereit sind, uns bei der Schaffung der Jugendberufsagenturen auf ein Miteinander von behinderten und nicht behinderten Jugendlichen, von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, von jungen Menschen aus Bildungsbürgermilieus und ebenso von Jungen und Mädchen aus bildungsferneren Familien einzustellen. Ich bitte die zuständigen Ausschüsse, in dieser Richtung die Beratung des vorliegenden Antrags voranzutreiben.

Abschließend: Meine Hoffnung ist es, dass der eingangs angesprochene Klassenlehrer mit seinen Schülerinnen und Schülern in aller ihrer Vielfalt in seiner zuständigen Jugendberufsagentur willkommen sein wird, wenn diese Institution demnächst auch in unserer Stadt eine Selbstverständlichkeit sein wird. – Schönen Dank!
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